Kino "Scala" Burkhardtsdorf

Heimatgeschichte - Die „Scala-Lichtspiele“

Die Geschichte des Kinobetriebes in Burkhardtsdorf begann in der Turnhalle.

(Foto 1: Turnhalle, Fotograf unbekannt, Bildarchiv AG Ortschronik)

Jean Schüler, der Großvater von unserem ehemaligen Ortsvorsteher Siegfried Pfüller, führte dort Stummfilme vor, erklärte wortreich das Geschehen im Film und wurde am Klavier begleitet von Fritz Viertel. Als Filmvorführer war Guido Schröter tätig, denn sein besonderes Interesse galt den noch gar nicht so lange bekannten „laufenden Bildern“.    

Guido Schröter war als Werkmeister in der Nadelfabrik Schubert tätig.  Als Jean Schüler seine Fabrik in der Turnstraße erbaute, kaufte er ihm die Kinorechte ab, nachdem er im Jahre 1918 einen “Gewerbeschein für ein Kinematographen-Theater“ erhalten hatte. 


(Foto 2: Guido Schröter, Foto: Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Guido Schröter führte neben seiner beruflichen Tätigkeit zunächst Filme in der Turnhalle vor und übernahm später dort den Kinobetrieb. Die gesamte Familie wurde in den Kinobetrieb mit einbezogen. Das waren Guido Schröter, seine Ehefrau Helene, die Kinder Fritz Schröter, Martha Richter geb. Schröter, Ilse Kietz geb. Schröter und Walter Schröter sowie auch deren Ehepartner.

In der Turnhalle fand an den Wochenenden, nachdem der Turnunterricht beendet war, folgendes statt:
Die Turngeräte wurden nach vorn an die Wand geschoben. Die Frauen der Familie kehrten die Turnhalle aus.
Vor die Turngeräte stellte man als Sichtschutz eine Pappwand auf. Dann kletterten Guido Schröter und sein Sohn Fritz an der Sprossenwand hoch zum Deckenboden und ließen an einem Seil die Zuschauerbänke herunter. Zwei Reihen gab es mit Lehne und Polster, das waren die teuersten Plätze! Die übrigen waren normale harte Bänke ohne Lehne.

Im hinteren Umkleideraum befand sich der Filmapparat. Da es damals noch Stummfilme gab, standen hinter der Pappwand ein Klavier und ein Harmonium.
Der Pianist kam aus Thalheim und lief nach der Vorstellung abends bzw. nachts wieder nach Hause. Gab es fröhliche Filmszenen, spielte er entsprechende Takte auf dem Klavier, bei traurigen Szenen drehte er sich schnell zum Harmonium und spielte dort die passenden Melodien.

Guido Schröter ging während der Vorstellung auf und ab und erklärte die Handlung. Da es keine ge- schlossenen Vorstellungen waren, blieben oft noch Zuschauer bei der nächsten Wiederholung des Filmes sitzen. So musste er oft kontrollieren, ob die Eintrittskarten noch gültig waren! Die Filme bestanden meistens aus 5 bis 6 Akten, und nach jedem Akt wurde das Licht eingeschaltet, um die nächste Rolle einzulegen, da es nur einen Filmapparat gab.

Sonntags abends nach Vorstellungsschluss wurde die Turnhalle in umgekehrter Reihenfolge wieder für den Sport freigemacht.

Mitte der 1920er Jahre begann der Bau der „Scala-Lichtspiele“. Der Architekt des Kinos war Herr Stöckel, nach dessen Entwürfen das Haus gebaut wurde.


(Foto 3: Bauzeichnung des Baumeistrs Stöckel, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Auch die stabile Kinobrücke, ebenfalls durch Guido Schröter damals gebaut, hat viele Jahre und auch Hochwasser  gut überstanden.


(Foto 4: Kinobrücke beim Hochwasser 1954, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Am 10. Oktober 1927 fand dann die Eröffnungsvorstellung statt. In der Burkhardtsdorfer Zeitung machte man in einer Annonce darauf aufmerksam.


(Foto 5: Annonce Burkhardtsdorfer Zeitung)

Auch ein Artikel am nächsten Tag berichtete wohlwollend über das Ereignis: „dass dank der fortgesetzten Bemühungen des Herrn Guido Schröter nun auch Burkhardtsdorf ein ständiges Lichtspieltheater besitzt“ und „dem ganzen Bauwerk vollstes Lob gezollt werden muss. Die ganze innere Ausstattung macht einen gediegenen vornehmen Eindruck, wohltuend wirkt die Farbenharmonie der Innendekoration. Besonders gefällt auch der Vorraum …..“ usw.

Vorbildlich war der separate Vorführraum, so wurde auch „allen Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen Sorge getragen“. Einen „Orchestergraben“ gab es natürlich auch, den eine Holzbarriere vom Saal abtrennte.

            
(Foto 6: Kassenhäuschen und Aufgang zum Balkon, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf,
Foto 7: Eingangsbereich mit Blumenschmuck am Tag der Eröffnung, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Das Kino besaß einen Balkon mit 100 und den Saal mit 420 Sitzplätzen. Die „Klappsitze“ waren, wie alles, von bester Qualität und haben einige Jahrzehnte unbeschadet überstanden. Den Zuschauerraum zierte eine vornehme Stuckdecke. Auch die Außenanlagen waren hübsch gestaltet.

   
(Foto 8: Blick in den Zuschauersaal Richtung Leinwand, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf,
Foto 9: Zuschauersaal Blick zum Balkon, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

(Foto 10: Außenanlagen mit Blumenrabatte, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtdorf)

Die Kartenpreise betrugen dann in den 1940er/1950er Jahren für einen Balkonplatz 1,10 DM, für den 1. Platz  (die hinteren Reihen im Saal) 0,90 DM, für den
2. Platz  (die mittleren Reihen)  0,70 DM und für den 3. Platz (die vordersten Reihen vor der Bühne) 0,50 DM.

Wenn das Kino voll besetzt war, wurden an die Seiten des Saales noch einfache Holzbänke gestellt, damit möglichst alle Besucher Eintritt erhielten.

Noch bis Anfang der 1950er Jahre standen bei begehrten Filmen die Besucher bis über die Kinobrücke an, und einmal wurde die Kassiererin durch die nachrückenden Kartenkäufer mit samt dem Kassenhäuschen nach hinten geschoben. Solche Besuchermassen sind heute kaum noch vorstellbar,
aber damals gab es ja noch kein Fernsehen!

Gehen wir noch einmal zurück zum Jahr 1927.

Damals war die Hauptstraße noch nicht befestigt und die Zuschauer kamen zum Teil in Holzpantoffeln, bei schlechtem Wetter war das Saubermachen des Kinos am Tag danach natürlich entsprechend schwierig. Das Foto zeigt den noch unbefestigten Fußweg und genau so sah die noch nicht gepflasterte Hauptstraße aus!


(Foto 11: Ansicht des Kinos von der noch unbefestigten Straße, aus Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Viele Stunden waren die Helfer mit Gummischürze, Eimer und Lappen bewaffnet. Die langen Kokosläufer wurden durch Frau Schröter und und ihre Tochter Ilse zusammengerollt, auf das Brückengeländer gehängt und abgekehrt. In den Kinogängen wurden angefeuchtete Sägespäne ausgestreut und mit dem Schmutz per Rutenbesen zusammengekehrt.

Anfangs liefen noch Stummfilme, im Orchestergraben saßen damals fünf Musiker aus Chemnitz. Später kam der Tonfilm auf. Aber nicht nur Filme wurden gezeigt, die Bühne diente auch zu unterschiedlichsten Aufführungen:
- Operettentheater
- Veranstaltungen der unterschiedlichsten Orchester und Musikgruppen
- Schulaufführungen der Burkhardtsdorfer Schule, Thumer Oberschule usw.
- Laienspielgruppe
- Artisten
- sportliche Darbietungen
- Kasperletheater für die Kinder im Zweiten Weltkrieg.

Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die Burkhardtsdorfer, mit vielen interessierten Mitwirkenden Programme und Veranstaltungen zu organisieren, die gut besucht wurden. So gab es einige Schülerkonzerte und Schulaufführungen, z. B. die Märchen „Hänsel und Gretel“ und „Dornröschen“,  bei denen die Lehrer viel Zeit und Engagement aufbrachten.

   
(Foto 12: Aufführung Dornröschen im Kino, Sammlung Rosemarie Netwall, Burkhardtsdorf,
Foto 13: Aufführung der Kindergruppe zum Bühnenschauturnen etwa 1960, Foto: Gerhard Uhlig, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Irgendwie wurde in den Nachkriegsjahren, in denen es an so vielem fehlte, unter Mitwirkung der Burkhardtsdorfer alles beschafft, das nötig war, ob Kleidung, Musikinstrumente, Noten, Textbücher usw., auch Heizungsmaterial!

So manche Arbeitsstunde wurde unentgeltlich geleistet und keiner fragte nach Bezahlung! Ein Glück, dass es immer solche Enthusiasten gab und auch noch gibt.

Das Spielangebot war auch in diesen Jahren vielfältig. So schrieb Frau Schröter in einem Brief vom September 1948, welche Filme und Veranstaltungen liefen,
z. B. Filme „Im weißen Rössl“,  „Via Mala“,  „Kohlliesels Töchter“,  „Arzt aus Leidenschaft“,  „Mittelstürmer“,  „Grube Morgenrot“ usw.; die Laienspielgruppe spielte den  „Erbhofbauer“, die Volksbühne  „Operettenabend“.

Im Jahre 1948 verstarb der Gründer des Kinos, Guido Schröter, nach schwerer Krankheit. Im gleichen Jahr wurden alle Kinos verstaatlicht, das Kino ging, gegen ein geringes Entgelt an die Erben, in Volkseigentum über.

In den 1960er Jahren nahm man Umbauten vor, die den Charakter des Kinos erheblich verändert hatten. Der Balkon wurde per Presslufthammer abgerissen, die Fenster wurden zugesetzt, die schöne Stuckdecke fiel der Modernisierung zum Opfer. Da kein Geld für die Trockenlegung der Außenmauern vorhanden war, verkleidete man die Innenwände mit Stoffbahnen – es wurde ein Kinosaal, wie es so viele schon gab. Die Fotos nach dem Umbau zeigen einen modernen Stil.


(Foto 14: Innenansicht nach der Umgestaltung, Sammlung Siegfried Pfüller, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Die Tochter des Kinogründers, Ilse Kietz, hat in der volkseigenen Zeit den Berufsabschluss als Filmvorführerin gemacht, Filme vorgeführt und war anschließend auch als „Theaterleiterin“ tätig. Sie verließ im Januar 1965 den Kinobetrieb endgültig, da sie immer mehr in die Büroarbeit des Kreislichtspielbetriebes im damaligen Karl-Marx-Stadt einbezogen wurde und zugunsten ihrer Familie eine Heimarbeit vorgezogen hatte.

Es kamen neue Theaterleiter bzw. Vorführer nach Burkhardtsdorf, und so war ein regelmäßiger Kinobetrieb noch bis in die 1990er Jahre gewährleistet. Als das Fernsehen in die Haushalte Einzug hielt und auch die angebotenen Filme nicht die Erwartungen der Zuschauer erfüllten, reduzierte sich die Anzahl der Kinogänger enorm. Noch einmal, im Herbst 1989, kamen die Einwohner in Scharen ins Kino. Die Sitzplätze reichten nicht aus. Es waren die Einwohnerversammlungen zur Zeit der politischen Wende. Viele machten sich Luft, angestauter Frust von 40 Jahren wurde abgelassen.

Das Haus diente danach den örtlichen Vereinen als Domizil. So zieht 1994 der Burkhardtsdorfer  Carneval-Ausschuss  (BCA) e. V. in seiner 5. Session in das „Scala Lichtspielhaus Burkhardtsdorf“ um. Dieser Verein kreirte den Begriff vom „schrägen Saal“. Zehn Jahre nutzte der BCA das Kino für seine Veranstaltungen.
Nach der 15. Session im Jahre 2003/2004 verabschiedete sich der Verein vom Kino und zog in ein eigenes Domizil.

Weiterhin wurde das Kino für Schulaufführungen und diverse Veranstaltungen genutzt. Danach stand das Kino leer, nachdem auch die Wohnungen nicht mehr benötigt wurden bzw. eine Sanierung nicht lohnenswert erschien. Man entfremdete es zum Ablagerungsplatz.

   
(Foto 15: Ablagerungsplatz für Straßenlampen, Foto: Martina Hünein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik,
Foto 16: Ablagerung von nicht mehr benötigten Unterrichtsmitteln, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)


(Foto 17: ehemaliger Eingangsbereich, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Durch den Neubau einer modernen Mehrzweckhalle hatte das Leben im Ort einen neuen Mittelpunkt bekommen. Ab etwa 2004 blieb das Gebäude ungenutzt und verfiel zusehends. Im Juli 2021 kaufte der Ökumenische Schulverein das Gebäude. An Stelle des Kinos soll ein Neubau entstehen.

Kurz vor Abrissbeginn, am 16. November 2021, heulten in ganz Burkhardtsdorf die Sirenen. Was war da los? Die Feuerwehren der vier Ortsteile führten am ehemaligen Kino eine gemeinsame Übung für den Ernstfall durch. Im Einsatz waren fünf Löschfahrzeuge, ein Einsatzwagen und 45 Feuerwehrleute.

   
(Foto 18: Kinosaal mit Blick zur ehemaligen Visionsbar, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik,
Foto 19: Übung der Feuerwehren am Kino, Foto: Matthias Schubert, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Kurz danach begann der Abriss.
   
(Foto 20: Übung der Feuerwehren am Kino, Foto: Matthias Schubert, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik,
Foto 21: Abrissarbeiten Dezember 2021, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG)


   
(Foto 22: Abrissarbeiten Dezember 2021, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG,
Foto 23: Abrissarbeiten Dezember 2021, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG)


(Foto 24: Foto Elke Pflugbeil, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Nach einem Aufsatz von Ilse Kietz geb. Schröter, veröffentlicht im ZTK 8/2008, ergänzt durch die AG Ortschronik Burkhardtsdorf

Kino "Scala" Burkhardtsdorf

Heimatgeschichte - Die „Scala-Lichtspiele“

Die Geschichte des Kinobetriebes in Burkhardtsdorf begann in der Turnhalle.

(Foto 1: Turnhalle, Fotograf unbekannt, Bildarchiv AG Ortschronik)

Jean Schüler, der Großvater von unserem ehemaligen Ortsvorsteher Siegfried Pfüller, führte dort Stummfilme vor, erklärte wortreich das Geschehen im Film und wurde am Klavier begleitet von Fritz Viertel. Als Filmvorführer war Guido Schröter tätig, denn sein besonderes Interesse galt den noch gar nicht so lange bekannten „laufenden Bildern“.    

Guido Schröter war als Werkmeister in der Nadelfabrik Schubert tätig.  Als Jean Schüler seine Fabrik in der Turnstraße erbaute, kaufte er ihm die Kinorechte ab, nachdem er im Jahre 1918 einen “Gewerbeschein für ein Kinematographen-Theater“ erhalten hatte. 


(Foto 2: Guido Schröter, Foto: Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Guido Schröter führte neben seiner beruflichen Tätigkeit zunächst Filme in der Turnhalle vor und übernahm später dort den Kinobetrieb. Die gesamte Familie wurde in den Kinobetrieb mit einbezogen. Das waren Guido Schröter, seine Ehefrau Helene, die Kinder Fritz Schröter, Martha Richter geb. Schröter, Ilse Kietz geb. Schröter und Walter Schröter sowie auch deren Ehepartner.

In der Turnhalle fand an den Wochenenden, nachdem der Turnunterricht beendet war, folgendes statt:
Die Turngeräte wurden nach vorn an die Wand geschoben. Die Frauen der Familie kehrten die Turnhalle aus.
Vor die Turngeräte stellte man als Sichtschutz eine Pappwand auf. Dann kletterten Guido Schröter und sein Sohn Fritz an der Sprossenwand hoch zum Deckenboden und ließen an einem Seil die Zuschauerbänke herunter. Zwei Reihen gab es mit Lehne und Polster, das waren die teuersten Plätze! Die übrigen waren normale harte Bänke ohne Lehne.

Im hinteren Umkleideraum befand sich der Filmapparat. Da es damals noch Stummfilme gab, standen hinter der Pappwand ein Klavier und ein Harmonium.
Der Pianist kam aus Thalheim und lief nach der Vorstellung abends bzw. nachts wieder nach Hause. Gab es fröhliche Filmszenen, spielte er entsprechende Takte auf dem Klavier, bei traurigen Szenen drehte er sich schnell zum Harmonium und spielte dort die passenden Melodien.

Guido Schröter ging während der Vorstellung auf und ab und erklärte die Handlung. Da es keine ge- schlossenen Vorstellungen waren, blieben oft noch Zuschauer bei der nächsten Wiederholung des Filmes sitzen. So musste er oft kontrollieren, ob die Eintrittskarten noch gültig waren! Die Filme bestanden meistens aus 5 bis 6 Akten, und nach jedem Akt wurde das Licht eingeschaltet, um die nächste Rolle einzulegen, da es nur einen Filmapparat gab.

Sonntags abends nach Vorstellungsschluss wurde die Turnhalle in umgekehrter Reihenfolge wieder für den Sport freigemacht.

Mitte der 1920er Jahre begann der Bau der „Scala-Lichtspiele“. Der Architekt des Kinos war Herr Stöckel, nach dessen Entwürfen das Haus gebaut wurde.


(Foto 3: Bauzeichnung des Baumeistrs Stöckel, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Auch die stabile Kinobrücke, ebenfalls durch Guido Schröter damals gebaut, hat viele Jahre und auch Hochwasser  gut überstanden.


(Foto 4: Kinobrücke beim Hochwasser 1954, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Am 10. Oktober 1927 fand dann die Eröffnungsvorstellung statt. In der Burkhardtsdorfer Zeitung machte man in einer Annonce darauf aufmerksam.


(Foto 5: Annonce Burkhardtsdorfer Zeitung)

Auch ein Artikel am nächsten Tag berichtete wohlwollend über das Ereignis: „dass dank der fortgesetzten Bemühungen des Herrn Guido Schröter nun auch Burkhardtsdorf ein ständiges Lichtspieltheater besitzt“ und „dem ganzen Bauwerk vollstes Lob gezollt werden muss. Die ganze innere Ausstattung macht einen gediegenen vornehmen Eindruck, wohltuend wirkt die Farbenharmonie der Innendekoration. Besonders gefällt auch der Vorraum …..“ usw.

Vorbildlich war der separate Vorführraum, so wurde auch „allen Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen Sorge getragen“. Einen „Orchestergraben“ gab es natürlich auch, den eine Holzbarriere vom Saal abtrennte.

            
(Foto 6: Kassenhäuschen und Aufgang zum Balkon, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf,
Foto 7: Eingangsbereich mit Blumenschmuck am Tag der Eröffnung, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Das Kino besaß einen Balkon mit 100 und den Saal mit 420 Sitzplätzen. Die „Klappsitze“ waren, wie alles, von bester Qualität und haben einige Jahrzehnte unbeschadet überstanden. Den Zuschauerraum zierte eine vornehme Stuckdecke. Auch die Außenanlagen waren hübsch gestaltet.

   
(Foto 8: Blick in den Zuschauersaal Richtung Leinwand, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf,
Foto 9: Zuschauersaal Blick zum Balkon, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

(Foto 10: Außenanlagen mit Blumenrabatte, Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtdorf)

Die Kartenpreise betrugen dann in den 1940er/1950er Jahren für einen Balkonplatz 1,10 DM, für den 1. Platz  (die hinteren Reihen im Saal) 0,90 DM, für den
2. Platz  (die mittleren Reihen)  0,70 DM und für den 3. Platz (die vordersten Reihen vor der Bühne) 0,50 DM.

Wenn das Kino voll besetzt war, wurden an die Seiten des Saales noch einfache Holzbänke gestellt, damit möglichst alle Besucher Eintritt erhielten.

Noch bis Anfang der 1950er Jahre standen bei begehrten Filmen die Besucher bis über die Kinobrücke an, und einmal wurde die Kassiererin durch die nachrückenden Kartenkäufer mit samt dem Kassenhäuschen nach hinten geschoben. Solche Besuchermassen sind heute kaum noch vorstellbar,
aber damals gab es ja noch kein Fernsehen!

Gehen wir noch einmal zurück zum Jahr 1927.

Damals war die Hauptstraße noch nicht befestigt und die Zuschauer kamen zum Teil in Holzpantoffeln, bei schlechtem Wetter war das Saubermachen des Kinos am Tag danach natürlich entsprechend schwierig. Das Foto zeigt den noch unbefestigten Fußweg und genau so sah die noch nicht gepflasterte Hauptstraße aus!


(Foto 11: Ansicht des Kinos von der noch unbefestigten Straße, aus Sammlung Hannelore Mönch, Burkhardtsdorf)

Viele Stunden waren die Helfer mit Gummischürze, Eimer und Lappen bewaffnet. Die langen Kokosläufer wurden durch Frau Schröter und und ihre Tochter Ilse zusammengerollt, auf das Brückengeländer gehängt und abgekehrt. In den Kinogängen wurden angefeuchtete Sägespäne ausgestreut und mit dem Schmutz per Rutenbesen zusammengekehrt.

Anfangs liefen noch Stummfilme, im Orchestergraben saßen damals fünf Musiker aus Chemnitz. Später kam der Tonfilm auf. Aber nicht nur Filme wurden gezeigt, die Bühne diente auch zu unterschiedlichsten Aufführungen:
- Operettentheater
- Veranstaltungen der unterschiedlichsten Orchester und Musikgruppen
- Schulaufführungen der Burkhardtsdorfer Schule, Thumer Oberschule usw.
- Laienspielgruppe
- Artisten
- sportliche Darbietungen
- Kasperletheater für die Kinder im Zweiten Weltkrieg.

Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die Burkhardtsdorfer, mit vielen interessierten Mitwirkenden Programme und Veranstaltungen zu organisieren, die gut besucht wurden. So gab es einige Schülerkonzerte und Schulaufführungen, z. B. die Märchen „Hänsel und Gretel“ und „Dornröschen“,  bei denen die Lehrer viel Zeit und Engagement aufbrachten.

   
(Foto 12: Aufführung Dornröschen im Kino, Sammlung Rosemarie Netwall, Burkhardtsdorf,
Foto 13: Aufführung der Kindergruppe zum Bühnenschauturnen etwa 1960, Foto: Gerhard Uhlig, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Irgendwie wurde in den Nachkriegsjahren, in denen es an so vielem fehlte, unter Mitwirkung der Burkhardtsdorfer alles beschafft, das nötig war, ob Kleidung, Musikinstrumente, Noten, Textbücher usw., auch Heizungsmaterial!

So manche Arbeitsstunde wurde unentgeltlich geleistet und keiner fragte nach Bezahlung! Ein Glück, dass es immer solche Enthusiasten gab und auch noch gibt.

Das Spielangebot war auch in diesen Jahren vielfältig. So schrieb Frau Schröter in einem Brief vom September 1948, welche Filme und Veranstaltungen liefen,
z. B. Filme „Im weißen Rössl“,  „Via Mala“,  „Kohlliesels Töchter“,  „Arzt aus Leidenschaft“,  „Mittelstürmer“,  „Grube Morgenrot“ usw.; die Laienspielgruppe spielte den  „Erbhofbauer“, die Volksbühne  „Operettenabend“.

Im Jahre 1948 verstarb der Gründer des Kinos, Guido Schröter, nach schwerer Krankheit. Im gleichen Jahr wurden alle Kinos verstaatlicht, das Kino ging, gegen ein geringes Entgelt an die Erben, in Volkseigentum über.

In den 1960er Jahren nahm man Umbauten vor, die den Charakter des Kinos erheblich verändert hatten. Der Balkon wurde per Presslufthammer abgerissen, die Fenster wurden zugesetzt, die schöne Stuckdecke fiel der Modernisierung zum Opfer. Da kein Geld für die Trockenlegung der Außenmauern vorhanden war, verkleidete man die Innenwände mit Stoffbahnen – es wurde ein Kinosaal, wie es so viele schon gab. Die Fotos nach dem Umbau zeigen einen modernen Stil.


(Foto 14: Innenansicht nach der Umgestaltung, Sammlung Siegfried Pfüller, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Die Tochter des Kinogründers, Ilse Kietz, hat in der volkseigenen Zeit den Berufsabschluss als Filmvorführerin gemacht, Filme vorgeführt und war anschließend auch als „Theaterleiterin“ tätig. Sie verließ im Januar 1965 den Kinobetrieb endgültig, da sie immer mehr in die Büroarbeit des Kreislichtspielbetriebes im damaligen Karl-Marx-Stadt einbezogen wurde und zugunsten ihrer Familie eine Heimarbeit vorgezogen hatte.

Es kamen neue Theaterleiter bzw. Vorführer nach Burkhardtsdorf, und so war ein regelmäßiger Kinobetrieb noch bis in die 1990er Jahre gewährleistet. Als das Fernsehen in die Haushalte Einzug hielt und auch die angebotenen Filme nicht die Erwartungen der Zuschauer erfüllten, reduzierte sich die Anzahl der Kinogänger enorm. Noch einmal, im Herbst 1989, kamen die Einwohner in Scharen ins Kino. Die Sitzplätze reichten nicht aus. Es waren die Einwohnerversammlungen zur Zeit der politischen Wende. Viele machten sich Luft, angestauter Frust von 40 Jahren wurde abgelassen.

Das Haus diente danach den örtlichen Vereinen als Domizil. So zieht 1994 der Burkhardtsdorfer  Carneval-Ausschuss  (BCA) e. V. in seiner 5. Session in das „Scala Lichtspielhaus Burkhardtsdorf“ um. Dieser Verein kreirte den Begriff vom „schrägen Saal“. Zehn Jahre nutzte der BCA das Kino für seine Veranstaltungen.
Nach der 15. Session im Jahre 2003/2004 verabschiedete sich der Verein vom Kino und zog in ein eigenes Domizil.

Weiterhin wurde das Kino für Schulaufführungen und diverse Veranstaltungen genutzt. Danach stand das Kino leer, nachdem auch die Wohnungen nicht mehr benötigt wurden bzw. eine Sanierung nicht lohnenswert erschien. Man entfremdete es zum Ablagerungsplatz.

   
(Foto 15: Ablagerungsplatz für Straßenlampen, Foto: Martina Hünein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik,
Foto 16: Ablagerung von nicht mehr benötigten Unterrichtsmitteln, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)


(Foto 17: ehemaliger Eingangsbereich, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Durch den Neubau einer modernen Mehrzweckhalle hatte das Leben im Ort einen neuen Mittelpunkt bekommen. Ab etwa 2004 blieb das Gebäude ungenutzt und verfiel zusehends. Im Juli 2021 kaufte der Ökumenische Schulverein das Gebäude. An Stelle des Kinos soll ein Neubau entstehen.

Kurz vor Abrissbeginn, am 16. November 2021, heulten in ganz Burkhardtsdorf die Sirenen. Was war da los? Die Feuerwehren der vier Ortsteile führten am ehemaligen Kino eine gemeinsame Übung für den Ernstfall durch. Im Einsatz waren fünf Löschfahrzeuge, ein Einsatzwagen und 45 Feuerwehrleute.

   
(Foto 18: Kinosaal mit Blick zur ehemaligen Visionsbar, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik,
Foto 19: Übung der Feuerwehren am Kino, Foto: Matthias Schubert, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Kurz danach begann der Abriss.
   
(Foto 20: Übung der Feuerwehren am Kino, Foto: Matthias Schubert, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik,
Foto 21: Abrissarbeiten Dezember 2021, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG)


   
(Foto 22: Abrissarbeiten Dezember 2021, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG,
Foto 23: Abrissarbeiten Dezember 2021, Foto: Martina Hünlein, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG)


(Foto 24: Foto Elke Pflugbeil, Burkhardtsdorf, Bildarchiv AG Ortschronik)

Nach einem Aufsatz von Ilse Kietz geb. Schröter, veröffentlicht im ZTK 8/2008, ergänzt durch die AG Ortschronik Burkhardtsdorf