ehemaliger Gasthof "Zur Sonne", Burkhardtsdorf
Heimatgeschichte – Der Gasthof „Zur Sonne“
Beim Verkauf des Lehngerichts im Jahre 1674 wurde auch ein „neues Schenkhaus“ mit verkauft. Dieses Schenkhaus war Bestandteil des Lehngerichts und wurde hier erstmals erwähnt. Die Lagebezeichnung lautete: zwischen Pfarrgut und Georg Viertels Garten. Das Pfarrgut befand sich östlich der damaligen Kirche, Viertels Garten lag zwischen den heutigen Häusern Am Markt 1 und 3. Genau dazwischen befand sich das Schenkhaus. Es handelte sich also genau um den Standort des späteren Gasthofes „Zur Sonne“.
(Foto 1: ältestes Foto des Gasthofes etwa 1889, Foto: Repro Paul Wieland, Bildarchiv AG Ortschronik)
Die Lage und der Zeitpunkt des Baues waren klug gewählt. Von Norden her führte die damalige Poststraße von Chemnitz nach Annaberg genau am Standort vorbei. Ab August 1674 erteilte die Herrschaft Neukirchen die Genehmigung, zwei Jahrmärkte im Ort abzuhalten. Für genügend Publikum würde also gesorgt sein.
(Foto 2: Jahrmarkttreiben vor dem Gasthof, Foto: Sammlung Gerhard Dietz, Bildarchiv AG Ortschronik)
Bis zum Jahre 1819 ist über das Schenkhaus nichts näheres bekannt. In dem genannten Jahr erneuerte man die alte Bausubstanz. Es ist zu vermuten, dass das Gebäude vollkommen neu am alten Standort aufgebaut wurde, denn das alte Wirtshaus ist wesentlich kleiner gewesen, wie es auf einer Zeichnung aus dem Jahre 1793 ersichtlich ist. Von dieser Baumaßnahme kündete eine in Stein gehauene Inschrift über der Haustür mit dem Buchstaben „E“ für Eckhardt, den Lehnrichter, und die Jahreszahl 1819. Heute ist diese Inschrift überputzt.
Nach Einführung der Landgemeindeordnung von 1838 wurde die Lehnsherrschaft abgeschafft und die Gebäude des Lehngerichts in den Folgejahren verkauft. Der Gasthof kam nun in die Hände von Christian Friedrich Gerber und nannte sich „Gerbers Gasthof“. Diese Familie war bis etwa 1886 Betreiber der Wirt-schaft.
(Foto 3: der Gasthof um 1898, Foto: unbekannt, Bildarchiv AG Ortschronik)
Der nächste Wirt war ab März 1886 Ernst Hermann Scheibner. Während seiner Zeit als Gastwirt brannte am 2. November 1889 die benachbarte Scheue des ehemaligen Lehngerichts ab. Bei deren Wiederaufbau erfolgte wahrscheinlich auch der Lückenschluss und die Verbindung zwischen ehemaliger Scheune und dem Wirtshaus. Im Obergeschoss der ehemaligen Scheune wurde ein Saal für das Gasthaus eingerichtet. Das nunmehrige Gebäude erhielt in nicht bekannten Jahren Anbauten an der östlichen und westlichen Seite. Wenige Jahre später kann man auf Ansichtskarten auch zum ersten mal Gasthof „Zur Sonne“ lesen.
(Foto 4: Gasthof mit Pferdefuhrwerken, Foto: Sammlung Siegfried Pfüller, Bildarchiv AG Ortschronik)
Während all der Jahre zwischen 1886 und 1945 war dieses Lokal das erste Haus am Platze. Blättert man im Annoncenteil der alten „Burkhardtsdorfer Zeitung“, stand jene Werbung meist an oberster Stelle. Schlachtfeste, Bockbierfeste, gesellige Abende, Vereinszusammenkünfte, öffentliche Ballmusik, Theateraufführungen sowie private Feierlichkeiten wie Hochzeiten und Geburtstagsfeiern wechselten sich in schöner regelmäßiger Folge ab.
Nach dem zweiten Weltkrieg fanden hier die Tanzvergnügen des Ortes statt.
(Foto 5: Festsaal mit Hochzeitsgesellschaft, Foto: Sammlung Falk Drechsel, Sehmatal)
Als nächstfolgende Eigentümer sind bekannt: 1. Juli 1901 - Bruno Lorenz, 1. Mai 1908 - Oskar Delling, 1. Juni 1912 – Walter Müller, 1934 – Milda Müller und etwa
1958 – Willy Helbig.
(Foto 6: der Gasthof um 1920, Foto: unbekannt, Bildarchiv AG Ortschronik)
Im Sommer 1970 wurde der Gasthof „Zur Sonne“ von der Erbengemeinschaft der öffentlichen Hand geschenkt. Das Gebäude wurde von der Gemeinde in kommunale Verwaltung übernommen. Die Innenräume wurden vorgerichtet, die Toilettenanlagen modernisiert und das Dach repariert.
Am 1. September 1970 erfolgte die Wiedereröffnung. Der Gaststättenbetrieb erfolgte nun durch Verpachtung.
(Foto 7: der Gasthof um 1980, Foto: unbekannt, Bildarchiv AG Ortschronik)
Zur Beheizung des Saals baute man 1973 einen Heißluftheizer ein, welcher wenige Jahre später durch eine Gasheizung ersetzt wurde. Im Gastzimmer erfolgte der Einbau einer Trennwand, so dass wieder ein Gesellschaftszimmer geschaffen wurde. Beide Räume wurden innenarchitektonisch neu gestaltet.
Seit 1966 wurde in der HO-Gastsätte „Zur Sonne“ mit großem Erfolg ein Dorffasching veranstaltet. Einige Bürger hatten sich zusammen gefunden und den Burkhardtsdorfer Carnevals-Ausschuss BCA gegründet. Jedes Jahr wurde ein Prinzenpaar, eine Prinzengarde und eine Saalpolizei vom Elferrat vorgeschlagen
und am 11.11. gewählt.
Ab dem 1. Januar 1977 wurde die Gaststätte geschlossen. Es erfolgten Vorbereitungsarbeiten zur Rekonstruktion. Es wurde nachfolgend so renoviert, dass noch eine Restnutzung von einigen Jahren möglich wurde. Die Kosten dieser Renovierung beliefen sich auf 40.000 Mark.
Der Saal wurde mit Hilfe von Jugendlichen für Tanzveranstaltungen ausgebaut und ein Raum für den Jugendklub im Erdgeschoss links, der ehemaligen Kutscherstube, eingerichtet. Berühmt berüchtigt war der legendäre Jugendtanz. Dabei kam es vor, dass die Balken im darunter befindlichen Lager enorm im Rhythmus der Musik mit schwangen.
Im Sommer 1982 renovierte man erneut, der Saal erhielt einen Parkettfußboden und durch Bau einer Kläranlage konnten die Toiletten auf Wasserspülung umgerüstet werden.
(Foto 8: der Gasthof im Jahre 2015, Foto: Martina Hünlein, Bildarchiv AG Ortschronik)
Nach Beendigung des Gaststättenbetriebes und nach der politischen Wende wurde der Festsaal zu einer Physiotherapie umgebaut. Die Räumlichkeiten im Erdgeschoss dienten einige Jahre dem Drogeriemarkt der „Schlecker-Kette“ als Verkaufsräume. Nach der Insolvenz dieses Unternehmens stand das
Erdgeschoss viele Jahre leer. Ab etwa 2020 nutzt die Evangelischen Oberschule Burkhardtsdorf die Erdgeschossräume als Schulspeisung.
Im östlichen Anbau befindet sich ein Döner-Imbiss, der von den Schülern als Alternative zur Schulspeisung gerne in Anspruch genommen wird.
Der westliche Teil beherbergte im Jahre 1913 das Material- und Grünwarengeschäft und die Fischhandlung von Ernst Hermann Lohs. Noch bekannt sein dürfte seit 1949 das Spezialgeschäft für Tabakwaren und Spirituosen von Herbert Edelmann. Er betrieb sein Gewerbe bis zum 31. Dezember 1971, später setzte seine Frau den Geschäftsbetrieb fort. Nach 1989 war das Geschäft an die Bäckerei Böhme aus Gelenau vermietet. Als auch diese den Geschäftsbetrieb in Burkhardtsdorf einstellte, wurde der Gebäudeteil als Corona-Teststelle genutzt und steht zur Zeit leer.
Die Texte und Bilder zu diesem Beitrag werden bei Bedarf aktualisiert.
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